Oktober 2019

191015

ENERGIE-CHRONIK


AfD fordert "Aufgabe aller Klimaschutz- und Energiewendeziele"

Die rechtsextreme AfD hat am 16. Oktober im Bundestag einen Antrag eingebracht, der auf den ersten Blick wie ein dummer Scherz anmutet, aber durchaus ernst gemeint ist: Der Bundestag soll demnach "die Aufgabe aller Klimaschutz- und Energiewendeziele" beschließen, und zwar "mit sofortiger Wirkung". Dazu gehöre die Rückgängigmachung aller diesbezüglichen Gesetze, Verordnungen und sonstigen Vorschriften in der Klima- und Energiepolitik. Ferner sollen alle mit dem Klimaschutz zusammenhängenden nationalen und internationalen Verpflichtungen aufgekündigt sowie alle damit befaßten Arbeitsplätze "sozialverträglich abgebaut" werden. Zugleich habe der Staat "besondere Aufmerksamkeit auf wirklichen Umweltschutz zu richten, denn 'Klimaschutz' ist fast immer das genaue Gegenteil von Umweltschutz".

Pseudo-akademisches Geschwurbel als Begründung

Der Antrag wird von 44 der 91 Fraktionsmitglieder namentlich unterstützt. Neben den beiden Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Alexander Gauland führen noch sieben weitere einen Doktortitel. Dabei klingt das Geschwurbel der Begründung allenfalls pseudo-akademisch. Beispielsweise heißt es da, die deutschen Treibhausgasemissionen seien für das Klima bedeutungslos und würden "ein nur imaginäres Weltklima so gut wie nicht beeinflussen". Wörtlich geht es dann so weiter:

"Denn auch bei völliger Emissions-Absenkung auf Null, also völliger 'Dekarbonisierung' und in jedem denkbaren Fall, selbst unter Verwendung des um den Faktor 3 erhöhten, vom IPCC verwendeten, ECS (Equilibrium Climate Sensitivity) Wertes vermindert sich die – nach dem gewählten Verfahren berechnete- zukünftige Welttemperatur nur um ein von Null messtechnisch nicht zu unterscheidendes Δ T von max. 0,000.653°C. Bei Verwendung des aktuellen, von der offiziellen Forschung ermittelten ECS Wertes von rd. 1 °C, sogar nur um 0,000.20 °C. Mit diesem ECS Wert der nur 1 ° C bei Verdopplung ergibt, reduziert sich außerdem die gesamte weltweite Klimaproblematik zum Null-Problem."

Die Verbindung von Rechtsextremismus und Leugnung des Klimawandels ist nichts neues. Ebenso jene Scharlatanerie, die mit prätentiösem Fachjargon im Gewand des Experten daherkommt. Man ist es inzwischen ja schon gewohnt, wenn die AfD im Bundestag über "Stromausfälle im Millisekundenbereich" schwadroniert (190401), ausgerechnet die USA als Land mit einer angeblich verlässlicheren Stromversorgung als Deutschland preist (181101) oder sich über den "Zappelstrom" aus erneuerbaren Energien ereifert (ein Schmähwort, das übrigens nicht sie, sondern der neoliberale Ökonom Hans-Werner Sinn (091217) in Umlauf gebracht hat). Eine Bundestagsdrucksache mit derart geballtem Schwachsinn dürfte es indessen noch nicht gegeben haben. Anscheinend fühlen sich die Rechtspopulisten durch den US-Präsidenten Trump ermutigt, der mit ähnlicher Demagogie unbestreitbar großen Erfolg hatte und sofort nach Amtsantritt das Pariser Klimaabkommen kündigte (170606).

Indessen wäre es voreilig, allen Wählern der AfD dieselbe Geisteshaltung wie den Verfassern dieses Antrags zu unterstellen. Einer Umfrage zufolge halten auch 62 Prozent der AfD-Anhänger die Energiewende für eine gute Sache (190211). Es könnte deshalb sein, dass dieser Schuss der rechtsextremen Parteistrategen nach hinten losgeht.

 

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