Das Blatt für brave Bürger und Untertanen: Eine Ausgabe des "Bürgerfreund" vom 13. Juni 1847 (Bild zum Vergrößern anklicken).


Der Bürgerfreund

(4. April - 31. Dez. 1847)

Bei Schmelzer, dem Verleger des regierungstreuen "Mannheimer Morgenblatts", erschien seit April 1847 einmal wöchentlich auch "Der Bürgerfreund". Es handelte sich um ein Blatt zur Aufrechterhaltung und Einübung von Untertanen-Gesinnung. "Der Bürgerfreund" wollte das Kleinbürgertum bzw. den "vierten Stand" im Sinne der Obrigkeit beeinflussen. Das Probeblatt vom I4. März enthielt bezeichnende Kostproben:

Der Bürger im wahren Sinne will vor allen Dingen den Frieden in Kirche und Staat, damit er ungestört an dem Wohle seiner Familie arbeiten, in Ruhe seine Kinder zu edlen Menschen und nützlichen Staatsbürgern heranbilden kann. Der wahre Bürger ist zufrieden mit einer politischen Freiheit und einem wohlgeordneten Staatswesen, wie sie bei uns in Baden bestehen... Der Bürger im wahren Sinne wendet sich aber mit Abscheu ab von jenem politischen Fanatismus, wie er sich namentlich hier in Mannheim eingenistet.

Die wahre Freiheit öffnet nicht der Leidenschaft eine freie Bahn, sie ist nicht die Stufenleiter des Ehrgeizes und die Geisel der Herrschsucht, sie verlangt keine Eingriffe in das Eigenthum Anderer, sie sucht und findet ihren Frieden und ihr Glück in sich selbst, in dem Bewußtsein, das Rechte gewollt und gethan zu haben.

Der wahrhaft freisinnige Bürger seines Vaterlandes strebt daher nach einer allmähligen, materiellen und geistigen Entwicklung mit Mäßigung und Bedachtsamkeit. Er achtet das Gesetz heilig, denn es ist die Grundlage der Ordnung, der Ruhe und des Segens... Fern ist von ihm jeder Parteihaß und Parteisucht.

Schon in der ersten Nummer beklagte sich der Bürgerfreund über das Hohngelächter, das seinem Probeblatt aus allen liberalen Richtungen entgegengeschallt war. Der Verriß, den etwa Karl Mathy in seiner "Rundschau" geliefert habe, sei "ächt jesuitisch".

Mit biederem Augenaufschlag wies "Der Bürgerfreund" die Verdächtigung zurück, von der "Bourgeoisie" oder sonstigen Hintermännern herausgegeben zu werden, um die schlichteren Gemüter in Stadt und Land den Radikalen abspenstig zu machen: Seine Herausgeber, behauptete das Blatt, kämen ebenso aus dem "vierten Stand" wie die angepeilte Leserschaft.

Wenn der Bürgerfreund nicht gerade die wichtige Frage zur Diskussion stellte, ob auf der Mitte des Theaterplatzes ein Brunnen zu plazieren sei, befaßte er sich auf seine Weise mit der Parteien Haß und Zank und noch schlimmeren Erscheinungen, etwa den "communistischen Symptomen":

Obwohl der Communismus und seine heimliche Verbreitung von seine Anhängern als ein eitles nicht existierendes Gespenst geschildert wird, so erhalten wir doch fast jeden Tag triftige Beweise vom Gegentheile dieser Behauptung. Wir finden, wie der giftige Samen dieses wahnsinnigen und verderblichen Systems an allen Orten ausgestreut wird, wie hier und da ein Keim Wurzel schlägt und namentlich bei dem Stand des jungen wandernden Handwerkers hervorbricht.

Ab Oktober 1847 verkleinerte der Bürgerfreund sein Format und erschien dafür zweimal wöchentlich. Zum Jahresende trat das Blättchen von der politischen Bühne ab, angeblich weil nun "die Verhältnisse, welche es in das Leben gerufen, wenn noch nicht ganz verschwunden, doch bedeutend von ihrer Schroffheit zurückgetreten sind".